Christian Seidler - Texte

Text zur Ausstellung "Kontinuum - malerische Handschrift und Farbtextur im gegenstandslosen Bild", Kulturbahnhof Eller, März 2015

Christian Seidler geb. 1985 in Leverkusen

Die Malerei von Christian Seidler lässt sich weniger im Rückbezug zum kunsthistorischen Informel aufschlüsseln, allenfalls in Beziehung setzten. Seidler hat eine Malerei entwickelt, die eigene stilistische Elemente enthält.
Eine experimentelle Grundhaltung gegenüber der Bildfläche ermöglicht ihre Bearbeitung mit verschiedenen, auch ungewöhnlichen Materialien und Werkzeugen auf eine Weise, die ein neues Bildergebnis schafft. Seidler arbeitet seriell; die Werke stehen oftmals in formalen oder thematischen Zusammenhang, ohne jedoch voneinander abhängig zu sein. Die Wiedererkennbarkeit ist für den Betrachter keine Frage konkreter gegenständlicher Assoziationen.
Das Farb-Formgefüge eines Bildes wirkt abstrakt und fast homogen, da es auf spezifische Linienverläufe, rhythmische Formen und eine Grundfarbigkeit reduziert ist. Das Bildexperiment wird gesteuert mit einer großen fast intellektuellen Disziplin, mit der die komplizierten Variablen des Bildentstehungsprozesses zum Bildergebnis geführt werden.
Wenn die großflächigen Bilder nebeneinander hängen, wie beim letzten Akademie-Rundgang, auf dem Christian Seidler seine Abschlussarbeiten ausstellte, wirkt jedes Bild in der hellen Folge von Farbton-Variationen als Unikate innerhalb einer Werksserie. Es scheinen unterlegte Farbschichten durch die teils transparenten Oberflächen, feine Formen,Strukturen und Verästelungen entwickeln ein Eigenleben.

Christian Seidler – Stellungnahme: "Es ist das große Charakteristikum von Malerei, durch eine scheinbare Flächengestaltung einen Bildraum suggerieren zu können, der mit unseren Sehgewohnheiten des Alltags korreliert. Es entsteht häufig der Eindruck eines räumlich, begreifbaren Raums, in dem ein Geschehen stattfindet. Jedoch steht jeder räumlichen Suggestion stets eine reale Präsenz der Werkstoffe gegenüber .Für mich gilt es, Imagination und haptische sowie visuelle Eigenschaften der verwendeten Materialien in ein Spannungsverhältnis zu bringen, welches Fragen beim Betrachter auslöst und seine Wahrnehmung herausfordert. Dies sei jedoch nur ein formaler Ansatz, Bildideen und Aussagen variieren zwischen den einzelnen Arbeiten."

Während seiner Studienzeit als Meisterschüler von Prof. Brandl war Christian Seidler an mehreren Ausstellungen beteiligt, u.a. 2014 in der Galerie Bechter - Kastowsky in Wien ( „The Masters oft the northern lights“).


"Ein Geisterschiff im Wolkenhimmel" - Grazetta März 2015

In der Wiener Galerie Bechter Kastowsky wurden 2014 unter dem Titel „Masters of the Northern Lights/Düsseldorf“ fünf Schüler der Meisterklasse Herbert Brandl ausgestellt. Der Großteil der Positionen, unter ihnen auch Alicia Viebrock und Christian Seidler, weisen Aspekte wie Prozessualität, Gestik und malerische Offenheit auf. Viebrock und Seidlers rezente Werke wurden gemeinsam in der Ausstellung „Luzifer“ in Düsseldorf 2014 präsentiert.

Christian Seidler forciert in seiner Malerei eine abstrakte Bildsprache, die sich mit strukturellen Qualitäten auseinandersetzt. Das Gemälde wird in seiner elementaren Konstitution definiert, als flaches Objekt, auf dem sich Farbschichten jeglicher Art ablagern, oder in das Gewebe eingebunden sind. Dabei zeigt der Künstler eine große Bandbreite an Malmaterialien, ob Kohle, Öl oder Acryl oder auch Feuer. Spektakulär fallen seine „Feuerbilder“ aus. Anstelle des Pinsels mit Ölfarbe schwenkt er den Gasbrenner und „malt“ die Strukturen im geplanten Zufall in die Leinwand. Im Unterschied zu Otto Piene, dem Pionier der Zero-Gruppe, geht es Seidler nicht um eine konzeptionelle Erweiterung des Bildbegriffs mittels malereifremder Techniken und einer metaphysischen Radikalität und der Ablehnung vorheriger Konventionen im Medium der Malerei, sondern um einen neuen Weg zu malen. Der Prozess realisiert malerische Spuren auf dem Träger, öffnet die Fläche zugunsten optisch illusionistischer Sphären mit naturromantischen Assoziationen – ob Dickicht, Wolkenhimmel oder moosige Felswand. Die aktuellsten Arbeiten zeugen von einer gesteigerten Sensibilität, grafische Spuren treten vermehrt in den Hintergrund zugunsten einer atmosphärischen Offenheit. Licht strömt ein, entmaterialisiert das Gewebe der Leinwand und das eingesetzte Farbmaterial. Ein lyrisches Schweben.

Herbert Brandl: „Ich schätze die Arbeiten von Alicia Viebrock und Christian Seidler sehr. Beiden haben ihre eigene malerische Sprache in der Tradition der großen Malerei entwickelt. Schwarze Piste – Topmalerei 2015.“


Interview zur Ausstellung "Brillant - Junge Kunst aus der Kunstakademie", wgz-Bank 2014

„Wie haben Sie das Medium Feuer für sich entdeckt? Wo stellen Sie die Arbeiten her? Es sind auch die technischen Aspekte, die mich hier interessieren.“
„In den Feuerbildern wird ausgehend vom Ausgangsmaterial, während des Schaffensprozesses Masse entfernt, anstatt ihr irgendeine Form von Material hinzuzufügen. Ich arbeite mit einem größeren Gasbrenner, und der Arbeitsprozess ist sehr direkt oder grob. Kontrolle erlange ich dadurch, dass ich mit Untergründen z.B der Straße und mit Wasser arbeite. Durch unterschiedliche Feuchtigkeitszustände der Leinwand und einer manuellen Regulierung der Flamme kann ich den Verbrennungsgrad grundsätzlich steuern. Ein Element wie das Feuer völlig zu kontrollieren ist sehr schwer, doch es ist gerade dieser Gedanke, der die Arbeitsweise interessant macht. Dieses Medium einzusetzen und damit sensible feine Strukturen, Formen, Übergänge, Verläufe etc. zu schaffen, ist ein reizvoller Aspekt. Auf der anderen Seite sieht man auch das gewalttätige Potenzial von Feuer, wenn das Material erschöpft ist und Löcher entstehen. In meiner Arbeitsweise versuche ich gezielt strukturelle Elemente und Tonwerte anzulegen, provoziere Verläufe und Formen und reagiere auf diese. Der Bildraum soll eine "Offenheit" besitzen, gleichzeitig auch von einer strukturellen Komplexität geprägt sein. Jeglicher Vielschichtigkeit soll jedoch ein ordnendes, immanentes System zugrunde liegen. Die Baumwollleinwand wird physikalisch bearbeitet und ihre Masse reduziert. Das durch den Verbrennungsvorgang entstehende Ruß ist das einzige gestalterische Element, welches die Leinwand färbt, verändert und illusionistischen Raum erzeugt. Doch gibt es auch die entstandenen kleinen Löcher und Risse, welche die Bildfläche beschädigt haben und den realen haptischen Charakter der Leinwand unterstreichen, wodurch der Raum hinter den aufgespannten Leinwänden erkennbar und Teil der Bildrezeption wird.“

„Ich vermute, Sie haben sich in Düsseldorf – der Stadt von Zero – mit den Feuerbildern von Yves Klein und Otto Piene auseinandergesetzt. Welche Relevanz hat speziell diese Zeit künstlerischen Aufbruchs für Sie?“
„Ich kenne die Feuerarbeiten von Klein, Piene oder auch die Rußbilder von Dokoupil. Ich denke, dass es vor allem die visuellen Eigenschaften des Rußes sind, seine strukturellen oder auch sensualistischen Qualitäten, weshalb ich die Technik des Feuers einsetze. Mit der Zero-Gruppe (neben Otto Piene auch Heinz Mack) habe ich mich durchaus beschäftigt. Ich finde ihre Arbeit besonders im Kontext der Zeit sehr interessant. Doch geht es mir nicht darum, mit Konventionen zu brechen oder irgendeine Form von Metaphysik zu beschwören; ich möchte vielmehr neue (eigene) Wege in der Malerei finden, um mich mit Themen wie Illusion/Imagination oder auch Haptik auseinanderzusetzen [...] Im Kontext einer digitalisierten Welt wird man täglich hundertfach mit ‚Bildern’ aller Art konfrontiert. Ich bin eher im Rahmen von Malerei auf der Suche nach neuen (lebendigen) ‚Bildern’, welche die Oberfläche durchbrechen, sich dabei jedoch nicht völlig dem Betrachter verschließen.“

Christian Seidler / Susanne Rennert